
Hydrokultur ist den meisten von euch bestimmt ein Begriff.
Allerdings werden den viele mit verschrobenen Büropflanzen verbinden:
Dabei kann man soviel mehr mit Pflanzen in Hydrokultur machen. Zum Beispiel ganzjährig in Innenräumen Gemüse ziehen – und damit vielleicht in Zukunft auch ganze Städte ernähren.
Aber auch für unsere Zwecke – in kleinen Indoorgärten – ist das Konzept nicht nur spannend, sondern hat das Potential die Art und Weise wie ihr euer Gemüse bezieht zu verändern.
Kein Interesse an einem Indoor Garten der Gemüse abwirft? Auch für Zierpflanzen bietet die Hydrokultur immense Vorteile.
In diesem Beitrag wollen wir euch näher bringen:
- Was Hydrokultur oder Hydroponik ist
- Welche Möglichkeiten sie für die Zukunft eröffnet
- Wie das Ganze funktioniert
- Und natürlich wie ihr selbst anfangen könnt, erste Pflanzen in Hydrokultur zu ziehen
Was ist Hydrokultur überhaupt?
Hydrokultur wird auch Hydroponik genannt – streng genommen trennt die beiden Begriffe ein feiner Unterschied.
Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Methoden, Pflanzen außerhalb organischer Substrate zu ziehen.
Im Klartext: Pflanzen wachsen in Hydrokultur nicht in Erde, sondern entweder in einem anorganischen Substrat (z.B. Bimsstein) oder völlig ohne Substrat.

Typische Hydrokultur Substrat
In letzterem Fall hängen die Wurzeln der Pflanzen frei – und sind teilweise oder ganz in eine Nährlösung eingetaucht. Hier spricht man von Hydroponik.
Wird hingegen ein Substrat verwendet, wird dadurch die Nährlösung zu den Wurzeln geleitet. Das wäre dann – ganz exakt genommen – Hydrokultur.
In der Praxis werden die Begriffe allerdings meist synonym verwendet.
Größte Vorteile von Hydrokultur
Natürlich bringt das Wegfallen der Pflanzerde einige immense Vorteile mit sich:
- Hydrokultur Pflanzen laufen praktisch keine Gefahr, von Wurzelschädlingen befallen zu werden
- Mit vielen Hydroponik-Methoden wird die Pflege der Pflanzen auf ein Minimum reduziert – Pflanzen müssen nicht gegossen werden
- Platz wird viel effizienter genutzt
- Hydrokulturen verlieren deutlich weniger Wasser durch Kondensieren
- Je nach Pflanze schnelleres und üppigeres Wachstum
- Keine Chance für Unkraut
Der mit Abstand größte Vorteil erschließt sich allerdings durch die Möglichkeiten, die groß-angelegte Hydrokulturen für Städte der Zukunft bieten. Das betrifft die kleine Indoor-Gärtnerin nur wenig, sollte aber nicht unerwähnt bleiben.
Die Möglichkeiten, die Hydrokultur eröffnet
Der Trend, dass mehr und mehr Menschen in Städte ziehen, wird vermutlich nicht so schnell abebben.
Diese Massen müssen auch ernährt werden – und das wird schwierig, wenn die Landbevölkerung abwandert.
Viele Visionen von Zukunfts-Städten haben sich diesem Problem bereits angenommen. Und massive Hydrokultur-Farmen sind darin ein Weg, wie man eine urbane Bevölkerung zentral mit Obst und Gemüse versorgen kann.
Ein berühmtes Beispiel ist das Venus Projekt von Jacques Fresco.
Als Teil der darin erdachten nachhaltigen und zukunftssicheren Stadtplanung sind große Türme vorgesehen. Darin könnten dann Nutzpflanzen in Hydrokultur gezogen werden – in einer Menge, die die ganze Stadt mit urban gefarmten Gemüse versorgt.
Wiederum: das ist nichts was uns auf unserer kleinen Ebene besonders betrifft. Wir finden allerdings, dass eine Vision wie diese uneren Enthusiasmus für Hydrokultur nur anfeuert. Und wollten das bigger picture deshalb nicht unerwähnt lassen.
Sehen wir uns als nächstes an, was ihr von Hydrokultur habt.
Nutzpflanzen können das ganze Jahr über in Innenräumen gezogen werden
Für den kleinen Hobby Gärtner, der seinen Salat gern selbst erntet, ist das vermutlich das größte Plus.
Hydroponik kann man ganzjährig in Innenräumen betreiben.
Besonders für passionierte Gärtnerinnen, die ihr Hobby im Winter nicht verfolgen können, wird Hydrokultur so interessant.
Man mag nun einwerfen:
Auch herkömmliche Pflanzenzucht könnte man mit einem geeigneten Standort, ganzjährig betreiben.
Da kommt der nächste Vorteil ins Spiel:
Weniger logistischer Aufwand ohne Erde
Ganzjährig euren eigenen Salat ernten klingt hervorragend.
Zumindest solange, bis ihr säckeweise Erde in eure Wohnung wuchten müsst.
Der Aufwand konventioneller Pflanzmethoden hört aber nicht beim Transport auf.
Hydroponik ist im Vergleich einfach sauberer. Wo keine Erde ist, kann kein Topf umfallen und die Erde auf dem weißen Teppich verteilen.
Natürlich wäre das mit der Erde nicht so tragisch, wenn man 4-5 Salatköpfe ziehen will.
Wollt ihr hingegen quer durch alle Jahreszeiten zu Hause Salat ernten, braucht ihr große Beete. Dafür hat man nicht nur meist zuwenig Platz. So ein Hochbeet macht sich einfach nicht besonders dekorativ Wohnräumen. Auch laden Massen an Erde Insekten ein – die ihr ebenfalls nicht im Wohnzimmer haben wollt.
Effizientere Nutzung von Platz & große Erträge
Hydrokulturen sind nebst Sauberkeit auch in vielen Set-ups sehr platzsparend.
Spätestens, wenn ihr mit eurer kleinen indoor-farm nicht in die Breite, sondern in die Höhe wächst, holt ihr deutlich mehr Ertrag aus weniger Bodenfläche raus. Das Stichwort lautet hier vertical farming – senkrechter Ackerbau.
Ihr könnt eure Pflanzen in Hydrokultur also statt nebeneinander aufeinander anordnen. Und somit etwa ganze grüne Wände gestalten.
Zierpflanzen werden in Hydrokultur besonders pflegeleicht
Bis hierher sprachen wir hauptsächlich von den Vorteilen, die Hydrokultur für Nutzpflanzen bietet.
Doch auch, wenn ihr gar nicht auf ernten ausseid, bietet die Pflanzenzucht ohne Erde ein paar Vorteile.
Wir hatten eingangs bereits erwähnt, dass Hydrokultur oft nur mit Büropflanzen in Verbindung gebracht wird.
Für Büroräume kommen meist ohnehin nur sehr pflegeleichte Pflanzen in Frage. Niemand hat während der Arbeit auch noch Zeit, komplizierte Anforderungen diverser Pflanzen zu erfüllen.
Einen Schritt weiter kann man in Sachen Pflegeleichtigkeit mit der Haltung in Hydrokultur gehen. Hier läuft ihr unter anderem nicht mehr Gefahr, eure Pflanzen falsch zu gießen – ein Wasserstandsanzeiger gibt immer Aufschluss darüber, wann es wieder Zeit für einen Guss ist.
Wie funktioniert Hydroponik?
Pflanzen brauchen:
- Licht & die richtige Temperatur
- Wasser
- Luft und Nährstoffe
Im Vergleich zu herkömmlichen Pflanzmethoden ändert sich bei Hydrokultur meist nichts daran, wie die Pflanze an ihr Licht kommt. (Ausnahmen sind natürlich künstlich beleuchtete Pflanzen!)
Der fundamentale Unterschied ist, wie die Pflanze an ihr Wasser und ihre Nährstoffe gelangt.
In Erde gepflanzt, muss eine Zimmerpflanze dafür regelmäßig gegossen werden, damit sie das Wasser – und gleichzeitig auch Nährstoffe – aus der Erde ziehen kann.
Hydroponik macht das etwas anders, indem das Wurzelwerk direkt mit einer Nährstofflösung in Kontakt ist. Die Wurzeln ziehen also die nötigen Mineralien und decken ihren Flüssigkeitsbedarf ohne die Erde als Zwischenmedium.
Der Aufbau dieser
Verschiedene Methoden haben ihre Vor- und Nachteile
Man unterscheidet zunächst passive von aktiven Systemen der Hydroponik.
Aktive Systeme erfordern meist Strom und die Überwachung diverser Instrumente und Werkzeuge (wie etwa Sauertstoff-Pumpen oder Beleuchtungsanlagen).
In passiven Systemen kann man die Pflanzen einsetzen und dann einfach gedeihen lassen.
Aktive Hydroponik-Systeme
Bei diesen Methoden ist zwar mehr Engagement und auch ein wenig Technik gefragt. Dafür kann man damit praktisch alle Pflanzen ziehen, die oberirdisch wachsen und Früchte tragen.
DWC – Deep Water Culture
Bei der deep water culture Methode lässt man die Wurzeln der Pflanze stets (fast) zur Gänze in das mit Pflanzennahrung angereicherte Wasser hängen.
Das Ertrinken der Pflanze verhindert dabei ein air stone: ein kleines Bauelement, das das Wasser-Reservoir konstantt mit Luft anreichert. So bekommt die Pflanze über das Wasser nicht nur Nahrung, sondern auch Luft.
Ebb and Flow
Anders als bei der deep water culture liegen die Wurzeln bei der ebb and flow oder auch flood and drain Methode nicht ständig im Wasser.
Stattdessen hängen sie meist in der Luft. Die Nähr-Flüssigkeit wird in regelmäßigen Abständen (automatisiert) in das Pflanz-Reservoir gepumpt, bis die Wurzeln darin eingetaucht sind. Danach läuft es wieder in ein anderes Sammelbecken ab. Durch die abwechselnden Phasen von Tränken und wieder frei Hängen lassen kann die Pflanze sowohl Wasser und Nahrung, wie auch Luft aufnehmen.
Nutrient Film Technik
Die nutrient film technique oder auch NFT ist dem ebb and flow System ähnlich. Der Unterschied liegt darin, dass die Pflanzen statt in einem Reservoir in einer Schiene oder Röhre angeordnet sind. Diese wird dann mit einer Neigung nach unten befestigt.
Eine Pumpe leitet dann die Nähr-Flüssigkeit ans obere Ende der Schiene. Die Schwerkraft macht den Rest und schwappt die Flüssigkeit an die Wurzeln, bis ans Ende der Schiene, wo sie wieder ins Sammelbecken abfließt.
Passive Systeme der Hydrokultur
Passive Systeme – also solche, die sich keiner elektronischer Instrumente bedienen – finden sich häufig bei Zierpflanzen, wie etwa Orchideen.
Man kann sie wiederum in Substrat-basierte und Substrat-freie Methoden unterteilen.
Gemeinsam haben beide, dass die Pflanze auf einem Reservoir sitzt, das mit Nähr-Flüssigkeit gefüllt ist. Anstatt die Flüssigkeit aber zu den Wurzeln zu pumpen bedient man sich Effekte wie der Kapillarwirkung, durch die die Flüssigkeit ohne äußere Einwirkung gezogen wird.
Substrat-Methoden
Ganz egal welches Substat man verwendet – die Idee dahinter ist dieselbe.

Selbst Tomaten lassen sich in Hydrokultur ziehen!
Pflanzen werden in einen Container gesetzt, der mit porösem Material gefüllt ist. Das kann nun Bimsstein, Kokosfaser oder jeder beliebige ausreichend kapillär aktive Stoff sein.
Danach füllt man in ein Reservoir unterhalb des Substrats die Nährflüssigkeit. Durch die Porosität des Substrats und der Kapillarwirkung der Wurzeln wird das Wasser zur Pflanze gesogen.
Ein kleiner Wasserstandsanzeiger hilft dann dabei abzuschätzen, wann wieder nachgefüllt werden muss.
Die Kratky-Methode
Besonders für die Aufzucht krautiger Nutzpflanzen eignet sich diese simpelste aller Hydroponik-Methode.
Sie ist vom Aufbau her eine vereinfachte deep water culture. Was wegfällt ist das Belüftungs-Element.
Stattdessen pflanzt man die Setzlinge in einen Netz-Topf (aus dem die Wurzeln wachsen können). Dieser kommt dann in einen Container (etwa einen Plastik-Eimer), der mit Nähr-Flüssigkeit gefüllt ist – allerdings nur so weit, dass bloß Teile der Wurzeln damit in Berührung sind.
Nun wird der Deckel auf den Container fixiert – vorher schneidet man ein Loch hinein, in das man den Netztopf versenkt. Somit ist die Nährflüssigkeit von Lichteinfall geschützt und Algenwachstum wird verhindert.
So die Pflanze wächst, gelangen mehr und mehr Wurzeln an die Flüssigkeit. Gleichzeitig sinkt der Wasserpegel im Container. Das verhindert, dass man die Pflanze ertränkt.
Im Idealfall ist die Pflanze reif zur Ernte, bevor oder wenn die Nährflüssigkeit aufgebraucht ist. Falls nicht, kann man wieder nachfüllen.
Wie kann ich anfangen?
Ziel dieses Artikels war es gewissermaßen einen Überblick über Hydroponik zu schaffen.
Mit all den vielen neuen Worten, Konzepten und Methoden auf einmal konfrontiert zu werden kann aber schnell das Gegenteil erzielen. War zumindest bei mir anfangs so!

Alles beginnet mit ein paar Setzlingen
Falls euch eine ähnliche Faszination gepackt hat, wie uns, dann sucht ihr vermutlich nach einem Weg, wie ihr mal einen Zeh in dieses neue Wasser strecken könnt.
Eine erste Salat-Ernte mit der Kratky-Methode
Persönlich finde ich, dass die Kratky-Methode der ideale Einstieg in die Hydrokultur-Pflanzenzucht ist. Im einfachsten Fall benötigt ihr dafür nämlich fast ausschließlich Dinge, die ihr wohl schon zu Hause rumliegen habt:
- Einen (Kunststoff-)Pflanzcontainer mit passendem Deckel
- Ein Gefäß für den Setzling – ein Joghurtbecher oder ein Plastik-Becher reichen aus
Was ihr vermutlich erst anschaffen müsst (die Kosten halten sich in Grenzen):
- Pflanzsubstrat
- Salat-Setzlinge (oder ihr zieht selbst welche aus Samen)
- Nähr-Flüssigkeit für Salatpflanzen
Was ihr dann tun müsst:
- Schneidet eine passende Öffnung in den Deckel des Kunststoffcontainers – gerade groß genug, sodass der eingesetzte Pflanzbecher ihn abschließt
- Bohrt einige Löcher in den Pflanzbecher, durch die die Wurzeln wachsen können
- Füllt den Pflanzbecher mit dem Substrat
- Rührt die Nährstofflösung mit Wasser an (Mischverhältnisse findet ihr auf dem Etikett des jeweiligen Produkts)
- Füllt soviel Flüssigkeit ein, dass die unteren 1-3cm des eingesetzten Pflanzbechers unter Wasser stehen
- Nun müsst ihr nur noch den Deckel aufsetzen und den Pflanzbecher einsetzen
Wenn alles klappt, solltet ihr in gut 30 Tagen euren ersten hydroponisch gezogenen Salat ernten!
Die Produktion skalieren
Vielleicht wollte ihr für euren ersten Versuch zunächst bei einer einzelnen Pflanze bleiben.
Für den Fall, dass ihr lieber gleich aufs Ganze gehen wollt, könnt ihr die Kratky Methode natürlich auch gleich skalieren. In dem Fall baut ihr nicht einen Salat in einem Topf an. Sondern bastelt euch aus einem entsprechend großem Container ein Wasser-Reservoir, das so viel Salat versorgen kann, wie ihr wollt.

Ein großangelegter Kratky-Pflanzbehälter
Das Prinzip bleibt das selbe – was sich verändert ist nur, wieviele Löcher in den Deckel kommen. Und wieviele Salat-Pflanzen dann von der Flüssignahrung ziehen.
Lasst etwa eine Hand breit Abstand zwischen den Löchern, um dem Wachstum des Salats keinen Abbruch zu tun.
Falls ihr das Ganze in action sehen wollt, ist der YouTuber mhpgardener der absolute Meister der Kratky-Methode:
Habt ihr erstmal eine erfolgreiche Ernte eingefahren, werdet ihr vermutlich von selbst wie besessen mehr über Hydrokultur-Gemüseanbau recherchieren 🙂
In dem Fall schaut in den nächsten Wochen nochmal rein – Hydroponik wird für die kommenden Tage ein Schwerpunkt auf Indoorgarten. Erwartet detailliertere Artikel zu den vielen Aspekten der Hydrokultur.
Hallo,
Ein echt toller, weil sehr informativer und vor allem motivierender Beitrag! Vielen Dank dafür!
Gibt es zu diesem Thema auch empfehlenswerte Literatur in Form eines Buches? Insbesondere zum ziehen von Salat und Gemüse etc, in Hydrokultur?
Hallo! Von wann ist dieser Artikel und wer hat ihn verfasst? Er ist wirklich gut!
Dankeschön!
Er entsprang letztes Jahr meiner Feder 🙂